Zu sehen ist diesmal mit Charlie Chaplins Moderne Zeiten ein im wahrsten Wortsinne ebenso moderner wie gleichermaßen anti-modernistischer Film: Der Mensch im Räderwerk der modernen Technik.
Charlie, der Tramp, gerät als Held des Alltags in eine Fabrik und dort ans Fließband, wird später Testperson einer „Frühstücksmaschine“ und gerät als unfreiwilliger Streikführer zwischen die Fronten und damit mitten hinein in die Absurditäten eines durchreglementierten Lebens, das die Menschen zu Anhängseln von Apparaturen degradiert. Vitale und zutiefst individuelle menschliche Bedürfnisse stehen in bizarrem Widerspruch zu sozialer Disziplinierung und mechanischer Rationalisierung. Erzählt wird mit einfachsten Mitteln in Form einer bitterbösen und von Ironie geschärften Tragikomödie, die sich voller Bildwitz und selbstironischem Galgenhumor mit der modernen Industriegesellschaft auseinandersetzt.
Die Dinge sind nicht so, wie sie scheinen! Als trügerisch erweist sich auch das kleine, private Paradies, das Charlie für sich und ein armes Straßenmädchen errichtet. Am Ende ziehen beide gemeinsam auf einer Landstraße davon.
Moderne Zeiten ist der letzte Film, in dem Charlie Chaplin in seiner Paraderolle als Tramp zu sehen ist – und zugleich der letzte große Stummfilm. Chaplin, der eine große Abneigung gegenüber dem aufkommenden Tonfilm empfand, setzt dennoch an einigen Stellen Töne, Geräusche und Sprachpartikel gezielt ein, singt an einer Stelle sogar, allerdings auch hier unter Zuhilfenahme eines kunstsinnigen Kauderwelsches. Auch an diese Klang-Elemente knüpft die musikalische Gestaltung während der heutigen Filmvorführung an, die wiederum mit live-Improvisationen von einem Studierendenensemble aus der Improvisationsklasse von Hubertus Dreyer begleitet wird.
(USA 1933-36, Regie: Charlie Chaplin, ca. 90 Minuten)