Your browser is not supported, please upgrade to the newest version.
11.04.2025

Singen macht glücklich

Fast alle Menschen können singen. Sie müssen nur üben. Sagt Dr. Martin Berger, Professor für Chorleitung, im Interview.

Stimmt es, dass der Chorgesang in Deutschland boomt und immer mehr Menschen Freude am gemeinsamen Singen haben?

Es scheint wirklich eine neue und wachsende Begeisterung für das gemeinsame Singen zu geben. In Deutschland singen schätzungsweise fünf Millionen Menschen in Gesangsgruppen oder im Chor. Etwa 60.000 Chöre sind registriert oder in Verbänden organisiert. Es gibt eine ähnlich große Zahl an freien Chören und Gesangsgruppen.  Man muss diesen Boom allerdings differenziert betrachten: Pop-, Gospel- und Jazzchöre erfreuen sich großer Beliebtheit, da sie Musikstile abdecken, die für viele Menschen besser zugänglich und aktueller sind als klassische Chöre. Diese Vielfalt an Musikrichtungen und der offene Zugang zu Chorgesangsprojekten trägt dazu bei, dass Chormusik nicht mehr nur mit Tradition und Klassik assoziiert wird, sondern eine breite und diverse Zielgruppe anspricht. Gleichzeitig haben viele traditionelle Chöre mit Mitgliederschwund und Nachwuchsmangel zu kämpfen. Die Freude am gemeinsamen Singen bleibt also ungebrochen, sie zeigt sich jedoch in vielfältigeren und neuen Formen.

Was genau macht die Freude und das Glücksgefühl aus, das man beim gemeinsamen Singen empfinden kann?

Ich denke, dass hier eine Vielzahl von körperlichen, emotionalen, kognitiven und sozialen Faktoren zusammenkommt.  Beim Singen werden Endorphine ausgeschüttet, die zum individuellen Wohlbefinden beitragen können. Die fürs Singen notwendige tiefe Atmung kann beruhigen und Stress abbauen. Weil sich beim gemeinsamen Singen die Atmung der Menschen synchronisiert, kann das ein Gemeinschaftsgefühl und Verbundenheit erzeugen. Generell gibt uns Musik die Möglichkeit, Emotionen auszudrücken, die man sonst vielleicht nicht in Worte fassen kann. Letztlich ist es aber auch das gemeinsame ästhetische Erlebnis – ein berührender Klang, ein besonderer Ausdruck oder musikalischer Moment, das Glücksgefühle auslöst. Menschen sind geborene Künstler*innen – gemeinsames Singen ist eine Form der Bestätigung dafür.

Haben Menschen schon immer gesungen? Anders gefragt: Wer hat das Singen erfunden?

Singen ist vermutlich eine der ältesten kulturellen Ausdrucksformen der Menschheit - vielleicht sogar ein Vorläufer der Sprache selbst. Es war nie eine einzelne „Erfindung“, sondern hat sich mit unserem Menschsein entwickelt. Singen könnte eine frühe Form der Kommunikation gewesen sein. Schon unsere tierischen Vorfahren kommunizierten durch Laute. Menschen könnten das Singen aus ähnlichen Gründen entwickelt haben. Forscher*innen wie Sandra Trehub, Laurel Trainor, Colin Threvarten und andere vermuten, dass sich Gesang aus natürlichen Sprachmelodien entwickelt hat. Babys reagieren z. B. besonders auf gesungene Sprache, was darauf hindeuten könnte, dass Gesang eine wichtige Rolle in der frühen Menschheitsgeschichte gespielt hat. Samuel Mehr konnte nachweisen, dass Eltern weltweit intuitiv in einer speziellen Weise für ihre Babys singen – unabhängig von Sprache oder Kultur.

Kann wirklich jede und jeder singen, wie es immer heißt?

Der menschliche Körper ist von Natur aus zum Singen gemacht. Singen ist aber auch eine Fähigkeit, die geübt werden muss.  Die leider oft verbreitete Ansicht, nicht singen zu können, hat meist damit zu tun, dass man es nie gelernt hat, oder in seiner Kinder- und Jugendzeit negatives Feedback für sein eigenes Singen bekommen hat. Nicht Singen zu können wird meist durch Erkrankungen oder Fehlbildungen der Stimmbänder, Hörprobleme oder Amusie, eine neurologische Besonderheit, bei der Menschen Schwierigkeiten haben, Musik wahrzunehmen, zu verarbeiten oder Töne korrekt zu produzieren, verursacht. 



zurück
Robert Schumann Hochschule Düsseldorf Fischerstraße 110, 40476 Düsseldorf
Fon: +49.211.49 18 -0 www.rsh-duesseldorf.de